Bedenken gegenüber einer Politik, die den Kauf von sexuellen Dienstleistungen kriminalisiert

Bericht von der Pressekonferenz des IAC 2018 | 22. International AIDS Conference
Amsterdam, 23. – 27. Juli 2018

In Amsterdam fand am vierten Tag der IAC 2018 eine Pressekonferenz über die negativen Konsequenzen des sogenannten ‚Schwedische Modells‘ auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen statt.

Eine Zusammenfassung von Veronica Munk

Das ‚Schwedische Modell‘ fordert das Ende der Nachfrage von sexuellen Dienstleistungen, es kriminalisiert den Kauf von sexuellen Dienstleistungen, bestraft die Kunden.
Gesetze zur „Endnachfrage“ („End-Demand“) bestehen in einer wachsenden Anzahl von Ländern – Schweden, Norwegen, Finnland, Südafrika, Canada -; andere Länder überlegen sie einzuführen.
Sexarbeiterinnen selbst begehen nach diesen Gesetzen keine Straftaten, aber deren Kunden und Dritte werden kriminalisiert. Befürworter von „End-Demand“ -Gesetzen argumentieren, dass dieser Ansatz den Zugang von Sexarbeiter_innen zu essentiellen Dienstleistungen, einschließlich der HIV-Prävention und -Pflege, erhöhen wird.
Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die End-Demand Gesetze genau das Gegenteil verursachen.  Zwei Studien, die auf der heutigen Pressekonferenz vorgestellt wurden, zeigen die Lücken dieser Theorie und belegen das mit Fakten aus Kanada und Frankreich.
Dr. Elena Argento, von der Universität British Columbia/Kanada, hat eine Analyse des ‚Gesetz zum Schutz von Gemeinschaften und Ausbeutung von Personen‘ (Kriminalisierung der Klienten von Sexarbeiter_innen) durchgeführt. Die Analyse ergab, dass die Kriminalisierung den Zugang zu Dienstleistungen und Unterstützung für Sexarbeiter_innen erschwert und dass es Hindernisse für die Gesundheitsversorgung und soziale Dienstleistungen deutlich erhöht, hauptsächlich wenn es um Migrant*innen und Flüchtlinge geht.
Hélène Lebail, vom Centre de Recherches Internationales/Frankreich, hat durch ihre Analyse gezeigt, dass die direkteste Wirkung des Gesetzes ein akuter Anstieg der sozioökonomischen Vulnerabilität von Sexarbeiter_innen ist, einschließlich einer Zunahme an erlebter Gewalt, erniedrigende Arbeitsbedingungen und negativer gesundheitliche Folgen.
Beide Autorinnen stellen auch fest, dass die Verwendung von Kondomen abnimmt und dass SexarbeiterInnen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mehr Schwierigkeiten haben, über Sex-Praktiken zu verhandeln. Darüber hinaus hatten HIV-positive Sexarbeiter_innen Schwierigkeiten beim Zugang zu Dienstleistungen.
Gesetzgegnerinnen verweisen auf das Risiko einer erhöhten Gefährdung von Sexarbeiterinnen durch Isolation, sowie von Stigmatisierung und Gewalt, die ihren Zugang zu Gesundheits- und Rechtsdienstleistungen behindert und das Risiko der Ausbeutung in der Sexindustrie erhöht.
Als Sprecherinnen waren außerdem dabei: Duduzile Dlamini, Sexarbeiterin aus Südafrika (Sisonke Sex Workers Movement), Loveness Bowa Gunda, aus Malawi (YONECO) und O’Cindy Cynthia Samuels, Sexarbeiterin aus Guyana (Guyana Sex Workers Coalition), die außerdem mehr Menschenrechte für Sexarbeiter_innen gefordert haben.